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Ich hatte mal einen Artikel im Der Spiegel gelesen, der mich ziemlich schockiert hat. Daraufhin begann ich, ein bisschen über Stieg Larsson zu recherchieren, und was ich dann alles herausfand, regte mich zum Nachdenken an …

»Wenn man einmal damit angefangen hat, sich die Ideen anderer anzueignen und damit Geld zu verdienen, überschreitet man eine Grenze, von der an es nur mehr bergab geht«, zitiert Stephan Maus in einem Artikel des stern aus dem Buch »Verschwörung« von David Lagercrantz, dem vierten Band der Millennium-Reihe. Hat der Autor sich damit vielleicht selbst gemeint?

Der respektlose Umgang mit fremdem, geistigem Eigentum ist ein Thema weltweit und hat auch Stieg Larsson nicht verschont. Der schwedische Journalist und Schriftsteller ist im November 2004 gestorben, noch vor Erscheinen des ersten Millennium-Buchs im darauffolgenden Jahr. Niemand regte sich über die posthume Veröffentlichung seines Werkes auf. Nein, man freute sich sogar über den Erfolg des Buches und der beiden Folgebände. Es gab keinen Anstoß eines Grolls, dem Empfinden eines moralischen Falschverhaltens. Aber dann wurde dem einen oder anderen bewusst, welch enorme Geldmaschinerie um Stieg Larssons Werk entstanden war. Verfilmungen in Schweden und Hollywood, Adaptionen in Comics, wie beim Splitter-Verlag, ein Theater-Stück um die Protagonistin Lisbeth Salander, geschrieben von Eva Gabrielsson, der langjährigen Lebensgefährtin Stieg Larssons, sowie Bücher über ihn aus der Feder von ihr, seinen Angehörigen und Freunden.

Alle haben sie gut an einen Toten verdient, und es geht immer weiter.

Als der Norstedts Verlag 2013 bekannt gab, dass der Schriftsteller David Lagercrantz, bekannt als Ghost Writer von Autobiographien, einen vierten Band schreiben wird, wurde es einigen zu viel. Seitdem wird diskutiert, ob es richtig oder falsch ist, die Millennium-Reihe fortzusetzen. Der dänische Bestseller-Krimiautor Jussi Adler Olsson hätte den Auftrag aus Respekt zum verstorbenen Schöpfer um die Protagonisten Blomkvist und Salander nie angenommen und war über die Veröffentlichung des Buches so empört, dass er angab, es keinesfalls zu lesen und die Leserschaft sogar zum Boykott aufrief. Ich schreibe selbst und wenn ich mir vorstelle, jemand könne nach meinem Tod meine Aufzeichnungen durchwühlen oder, wie in diesem Fall, Informationen von Freunden zum Inhalt des vierten Teils aufgreifen, um eine Fortsetzung zu schreiben, dann dreht sich bei mir der Magen um, und ich beginne, mir Gedanken um meinen Nachlass zu machen, und zwar meinem geistigen.

Aber warum nur an die Zeit nach dem Tod denken? Erst vor ein paar Tagen habe ich gelesen, dass sich die bekannte Schriftstellerin Cornelia Funke dazu entschieden hat, die englische Ausgabe ihres neuen Buchs selbst zu verlegen, weil ihr Stammverlag für eine Veröffentlichung in den USA zu viele Änderungen fordert. Ein Hoch auf das Selbstverlegen. Verlege selbst und regel deinen Nachlass so, dass niemand das Recht hat, posthum mit deinem geistigen Eigentum Geld zu verdienen – niemand soll von mir profitieren können außer ich selbst.

 

Unverkäuflicher Text von Doreen Gehrke. Die Verwendung dieses Textes, ob nun auszugsweise oder in vollem Umfang, ist ohne schriftlicher Zustimmung von Doreen Gehrke urheberrechtswidrig. Auch eine Übersetzung des Textes sowie die Verwendung in elektronischen Systemen ist strafbar.